2015/16 - TZÜRICH. INTERAKTIONSRHYTHMEN IN EINER PERFEKTEN STADT

TZÜRICH - INTERAKTIONSRHYTHMEN IN EINER PERFEKTEN STADT

Kurator: Jörg Köppl

Jörg Köppl

Der Audio- und Performancekünstler Jörg Köppl studierte Bildende Kunst an der Zürcher Hochschule der Künste. Er bildete sich weiter in Komposition u. a. bei Thomas Kessler im Elektronischen Studio Basel, bei Edu Haubensak und Peter Ablinger. Die langjährige Zusammenarbeit im Performanceduo mit Peter Zacek führte zu Einladungen an namhafte Institutionen und Festivals, u. a. in Paris, Belgrad und London. Fasziniert vom Medium Radio konzipert Jörg Köppl experimentelle Radioprojekte, die an Festivals, wie der Ars Electronica und Bienal de Sao Paulo oder in eigener Regie (Zürich und Kairo) aufgeführt wurden.

In den vom Nationalfonds geförderten Forschungsprojekten NOW untersuchte er die auditive Zeitwahrnehmung. Die Beobachtung von melodischen und rhythmischen Interaktionen bei Sprechstimmen, führten ihn dazu, die Zeit als gesellschaftliche Synchronisierung aufzufassen und Interaktionsrhythmen nicht als Taktschlag für einen geregelten Austausch von Informationen zu sehen, sondern als das, was eigentlich gemeint ist.

Im Städteranking der Beratungsfirma Mercer figurierte Zürich im Jahr 2013 auf Platz eins. Das Ranking dient internationalen Firmen zur Berechnung von „Härte-Vergütungen“ für zu entsendende Mitarbeiter. Diese normierende Aussenperspektive steht in der Kritik, wirkt aber dennoch auf die Innensicht zurück. Wie kann die Musik zu einer Rückaneignung beitragen?

Mit Jörg Köppls Jahreskonzept tzürich – Interaktionsrhythmen in einer perfekten Stadt bewegt sich das ENSEMBLE TZARA aus den Musiksälen und Konventionen der Neuen Musik heraus. In drei, über das Jahr verteilten Veranstaltungen untersucht es Rhythmen und Stimmungen dieser Stadt. Die Spots sind: Verkehr («pulsen»), Handel («sirren»), Gruppen und Vereinzelung («lachen»). Wir lassen Motorräder heulen, decken den Grundton Europas auf und kitzeln das verstummte Publikum.

Für das ENSEMBLE TZARA ist die Konzertsaison 2015/16 die Premiere eines neuen künstlerischen Konzepts. Künftig wird mit jeder Spielzeit die künstlerische Leitung wechseln: Ein externer, »spartenfremder« Kurator erarbeitet gemeinsam mit dem Ensemble ein Jahresprogramm, welches Brücken zu anderen Kunstrichtungen schlägt. Wir freuen uns sehr, dass die Fondation Nestlé pour l’Art von unserem Konzept so angetan war, dass sie es mit einer langfristigen Partnerschaft unterstützt und begleitet.

TZÜRICH#1: PULSEN

  • 11.09.2015, 20 Uhr, Bullingerplatz Zürich

Im ersten Teil des Zyklus nähern wir uns dem zentralen Thema Verkehr. Hintergrund bilden die Fragestellungen nach Bewegung, nach Begegnung, nach Reibung und Störung. Wie kommen wir aneinander vorbei? Einer zunehmenden Dressur (langsamer, leiser) steht die geladene Emotionalität der Verkehrsteilnehmer gegenüber. Die heulenden Motoren sind aus der Stadt verschwunden und die früher mechanisch geschalteten Ampeln haben sich zu einem komplexen und interaktiven System gemausert.

Obwohl so prägend in unserem urbanen Alltag, wird der Verkehr selten künstlerisch oder musikalisch aufgegriffen. Die Stadtmauern von einst haben sich in Parkleitsysteme und Autobahnringe verwandelt. Der Bullingerplatz steht für eine städtische Rückeroberung: Wo vor zehn Jahren der Transitverkehr alles Leben verdrängte, findet man heute Blumenkisten und spielende Kinder. In vier Werken kommen verschiedene Verkehrsteilnehmer zum Zug: 111 Radfahrer ziehen vorbei, neun Harley Davidsons lassen ihre Motoren aufheulen, zwei „Putzwägeli“ führen ein Ballett auf und der Algorithmus der Zürcher Verkehrssteuerung wird sonifiziert.

Mauricio Kagel (1931-2008): Eine Brise (Flüchtige Aktion für 111 Radfahrer)
Dieter Schnebel (*1930): Konzert für 9 Harley Davidsons, Synthesizer und Trompete
Jörg Köppl (*1964): Das Zürcher Modell (UA)
Moritz Müllenbach (*1980): Pas de deux, Ballett für 2 „Putzwägeli“ (UA)

Raphael Camenisch, Saxophon
Christoph Luchsinger, Trompete
Samuel Stoll, Horn
Simone Keller, Synthesizer
Sebastian Hofmann, Perkussion & Elektronik
Philipp Schaufelberger, Velo
Moritz Müllenbach, Dirigent

111 Velofahrer
PELICAN CHAPTER ZURICH-CITY: 9 Harleyfahrer mit Harleys
2 Putzwägeli der EWZ
Gian Dönier, Stadt Zürich Dienstabteilung Verkehr

Jörg Köppl, Konzept


VelofahrerInnen gesucht!

Möchten Sie bei diesem aussergewöhnlichen Konzert dabei sein? Dann melden Sie sich an unter contact@ensembletzara.ch. Es sind keine musikalischen Kenntnisse notwendig. Sie müssen lediglich ein Velo mit Licht, einer Klingel oder Hupe dabeihaben. Geprobt wird unmittelbar vor dem Konzert: 18.30 Uhr auf dem Schulhof der Schule Sihlfeld (Sihlfeldstrasse 165, direkt am Bullingerplatz). Weitere Informationen unter 076-747 82 47.

JOHN CAGE: VARIATIONS

  • 19.09.2015, 18.30 Uhr, Tonhalle Zürich

Ensemble Tzara
Soyuz21
Mitglieder des Collegium Novum Zürich
Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus der Region Zürich
Moritz Müllenbach, Künstlerische Leitung

TZÜRICH#2: SIRREN

  • 07.11.2015, 19 Uhr, Neue Börse Zürich

Die Elektrizität ist aus unseren Städten nicht wegzudenken. Sie resultiert aus einem europaweiten Synchronisationsprozess, in dem man alle Generatoren auf eine Frequenz von 50 Hz einschwingen lässt. Das kann als Grundton unserer Städte bezeichnet werden.

Die Zeit eines Tones kann unglaublich fein getaktet werden. Die präzisesten Clocks, die im Audiobereich verwendet werden um eine konstante Abfragung und Rekonstruktion der Samplewerte zu erzielen, stammen aus dem Bankenwesen. Im Hochfrequenzhandel wird mit grossem Aufwand um jede Nanosekunde gerungen.

Die Zürcher Börse gilt als die schnellste weltweit. Hier, im Vorraum, wird der zweite Konzertabend stattfinden, an dem wir den Rhythmen der maschinellen Kommunikation lauschen. Die Grundfrequenz unseres Stromnetzes erklingt als Musik, die Interferenzen einer zwölf Meter langen Saite etablieren eine eigene Dramaturgie und ein Referat zum Hochfrequenzhandel gibt Einblicke hinter verschlossene Türen.

Alvin Lucier (*1931): Music on a Long Thin Wire
Peter Ablinger (*1959): Elektrisches Summen
Michael Maierhof (*1956): Untertonquartett 1
Cathy van Eck (*1979): Backoffice (UA)

Christian Kobler: Referat zum Hochfrequenzhandel

Sonoe Kato, Mezzo-Sopran
Martin Sonderegger, Klarinette
Philipp Schaufelberger, Gitarre
Samuel Stoll, Horn
Christina Aiko Mayer, Violine
David Sontón Caflisch, Violine (Gast)
Geneviève Camenisch, Viola
Moritz Müllenbach, Violoncello
Christian Kobler, Referent
Jörg Köppl, Konzept

PARALLEL SYSTEMS

  • 11.12.2015, 20 Uhr, Kunstraum Baden

André Meier / Thomas Peter: parallel systems I (UA)
André Meier / Thomas Peter: parallel systems II (UA)

Raphael Camenisch, Saxophon
Christoph Luchsinger, Trompete
Simone Keller, Klavier
Sebastian Hofmann, Perkussion & Elektronik

TZÜRICH#3: LACHEN

  • 10.03.2016, 20 Uhr, Kunstraum Walcheturm Zürich

Vor dem Konzert um 19 Uhr: LACHPOP - Eine partizipative Performance mit dem Lachtrainer Christian Hablützel und Jörg Köppl

Im dritten Konzert werfen wir einen nüchternen Blick auf die Synchronisation von Körpern. Es ist immer der Schall, der sie durchdringt und in Schwingung versetzt. Auf Tonaufnahmen ist es deutlich zu hören: Die Lachenden schwingen sich auf einen gemeinsamen Rhythmus ein.

Lachen steht hier nicht zwingend für Komik und Heiterkeit. Es interessiert uns vielmehr als urmenschlichstes und vorbewusstes Verhaltensmuster. Das gruppenbildende Lachen entscheidet über Zugehörigkeit oder Ausgrenzung. So endet der Zyklus mit Steven Takasugis Meditation über Freakshows, Unterhaltung und Vergnügen, Business und die Opfer, die man bringt, um zu überleben.

Isabel Klaus (*1976): Bluff (UA)
Alvin Lucier (*1931): Quasimodo The Great Lover
Alessandro Perini (*1983): Audiotactile Chair (Schweizer Erstaufführung)
Steven Kazuo Takasugi (*1960): The Man Who Couldn’t Stop Laughing (Schweizer Erstaufführung)

Martin Sonderegger, Klarinette
Alessandro Damele, Fagott
Christoph Luchsinger, Trompete
Samuel Stoll, Horn
Xaver Sonderegger, Posaune
Christina Aiko Mayer, Violine
Aleksander Gabrys, Kontrabass
Simone Keller, Klavier
Philipp Schaufelberger, Perkussion
Alex Kordzaia, Moritz Müllenbach & Sebastian Hofmann, Tontechnik
Christian Hablützel, Performance
Jörg Köppl, Performance und Konzept

2015 Saisonbild

Foto: Zürich Tourismus